Neulich bei einem kleinen Ausflug von Hikesandherbs auf die Dent de Ruth oberhalb der Grubenberghütte fanden wir Steilwiesen voller Alpenastern (Aster Alpinus). Was für eine Pracht, und was für eine Überraschung! Wie intensiv die Blüten leuchteten an dem nebelverhangenen Morgen im Juli, wo das Gras noch regennass, und die Tritte schmierig und glitschig waren. Sorgfältig hangelten wir uns an den vollgesogenen Büscheln in die Höhe, den Felsen entgegen. Wie die Blumen strahlten in diesem fahlen Nebellicht! Das intensive Lila der äusseren Zungenblüten intensivierte sich durch die senfgelben Röhrenblüten in der Mitte. Perfekterweise trug Ruedi Hählen an jenem Morgen eine ebenso senfgelbe Wanderhose, so dass er sich bestens ins Bild fügte. Die Astern sollen übrigens der Mythologie zufolge die Tränen der Göttin Astraea, der Göttin der Unschuld symbolisieren. Einer anderen Legende zufolge entstanden sie aus Sternenstaub, weshalb sie auch Alpen-Sternblumen genannt werden. So viele Alpenastern auf einmal verlockten uns natürlich dazu, auf dem abschüssigen und recht exponierten Hang innezuhalten und mit den Handys ein paar Fotos zu machen – wohl wissend, dass die Schlagzeile «Wanderleiter und Gartentante beim Alpenastern fotografieren abgestürzt» nicht so sexy wäre…
Begleitet von einer Gämse, die uns die längste Zeit beobachtete, und dem recht hysterischen Gepfeife der Murmeltiere in den Wiesen unter uns, krakselten wir wacker voran. Wir fragten uns, ob sich die Viecher bei dem von ihnen veranstalteten Lärm nicht gar zu sehr verausgaben, aber vielleicht pfeifen sie ja auch um die Wette und beeindrucken damit mögliche Partner. Wir liessen die Tiere hinter uns, und stiegen in die Felsen hinauf. Bald fanden wir blühende Stein-Nelken (Dianthus sylvestris), die an der Dent de Ruth fast bis zum Grat hinauf reichen. Oben angekommen, rissen die Wolken immerhin so weit auf, dass wir zwischendurch einen Blick auf die Grubenberghütte hinunter erhaschen konnten. Und im übrigen zeigte sich einmal mehr, dass gegen Höhenangst nichts so hilfreich ist wie Wolken… die Abgründe unter uns schienen ja watteweiss, und so gelang es mir bei dieser Tour bestens, die Gefahr mental auszublenden und mich immer nur auf den nächsten Schritt, den nächsten Griff zu konzentrieren. Oh, ich habe es sogar ohne Seil bis auf den Gipfel geschafft! So langsam, langsam gelingt es mir doch, mir die Höhenangst etwas abzutrainieren. Was dabei auch hilft: Zeit, und Geduld, und ein Begleiter, der an den Schlüsselstellen den einen oder anderen Tipp gibt. Merci Ruedi! Ehrlich gesagt war das wohl die langsamste Erstbesteigung der Dent de Ruth aller Zeiten… oder vielleicht auch nicht. Ruedi meinte, dass schon ab und zu Gäste mal etwas länger als die angegebene Stunde gebraucht hätten. Egal! Ich war oben. Hinunter ging’s dann ganz leicht – schade nur, dass die Abseilpiste nicht bis direkt vor die Hütte führt!