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Chenopodium, Atriplex und Rumex

Auf den Feldern und Bergwiesen sowie um die Alphütten herum gedeihen allerlei recht auffällige, grossblättrige Kräuter, von denen viele Leute nicht so genau wissen, welche davon man nun essen kann und welche nicht. Ein klarer Fall sind die Brennesseln: die erkennt jedes Kind spätestens beim Anfassen. Und klar, sie sind essbar als Blattspinat, als Pesto, für Suppen und viele andere Rezepte. Hier könnt ihr einfach ausprobieren, da kann nichts schwiefgehen.
Botanisch interessanter wird es aber bei den Chenopodium, Atriplex und Rumex. Was ist hier nun genau was, und welche von ihnen kann man wie essen?

Guter Heinrich: Chenopodium
Fangen wir bei den Gänsefussgewächsen an (Chenopodium). Dies ist eine Gattung mit etwa 100 Einjährigen sowie einigen wenigen krautigen Stauden. Sie kommen vielerorts in gemässigten Zonen und auch bei uns im Alpenraum häufig vor. Besonders oft treffen wir den allseits bekannten Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus). Dieses als Wildspinat beliebte Wildkraut wird gut und gerne in vielerlei Zubereitungsarten gegessen. Die Pflanzen werden bis zu 80 Zentimeter hoch, und bilden getreideartige Blütenstände. Wenn die Samen heranreifen, kann man die Büschel ernten und sie in etwas Oel rösten, so wie man das auch mit den Blütenständen der Brennesseln macht.
Auch die magentafarbig metallisiert angehauchte Sorte Chenopodium giganteum (auf Deutsch übersetzt: Die Riesenmelde) kommt im Saanenland zuweilen wild vor. Sie wird locker manns- oder frauhoch, und erreicht auf nährstoffreichen Böden in mildem Klima mitunter eine Höhe von bis zu drei Metern! Einen weiteren Verwandten des Guten Heinrich kennen wir aus der Getreideabteilung: Chenopodium quinoa nämlich wird für die Quinoa-Samen angebaut. Chenopodium sind alle essbar, auch wenn nicht alle Blätter von allen Chenopodium-Arten gleich zart schmecken. Man muss es halt einfach ausprobieren.

Melde: Atriplex
Mit den Gänsefussgewächsen oder wahlweise mit dem Sauerampfer gern mal verwechselt werden die Melden (Atriplex). Melden sind eine Gattung mit etwa 100 immergrünen, halbimmergrünen, sommergrünen, strauchigen, einjährigen oder ausdauernden Arten – eine sehr vielfältige Pflanzengattung also. Im Garten beliebt sind die buntlaubigen Sorten von Atripex hortensis, besonders die dunkelrote Gartenmelde Atriplex hortensis ‘rubra’. Auch wild wächst die Melde im Saanenland vielerorts, und versamt sich munter in Wiesen und auch im Garten – manchmal fast mehr, als einem lieb ist. Die spinatartigen, sukkulenten Blätter schmecken als Blattgemüse hervorragend. Sie sind auch reich an Vitaminen und anderen Nährstoffen. Wer beim Jäten über zu viele Melden schimpft, sollte sie grosszügig in der Küche verarbeiten.

Ampfer: Rumex
Die Gänsefussgewächse werden aber auch noch gerne mit den Ampfergewächsen (Rumex) verwechselt. Die Gattung Ampfer gehört zu den Knöterichgewächsen (Polygonaceae), zu denen auch der bei Neopytenjägern so gefürchtete japanische Staudenknöterich gehört, der an Flussufern gerne ausgiebig wuchert. Es gibt von den Gänsefüssen etwas 200 verschiedene Arten, sowohl Einjährige wie auch Zweijährige und Stauden mit tiefen Pfahlwurzeln. Sie wachsen im Gebirge, auf Aeckern, an Flussufern.
Schauen wir uns also auch die Ampferfamilie etwas genauer an. Küchentechnisch der bekannteste Vertreter ist hier gewiss der Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa). Ein dankbares und schmackhaftes Kraut! Besonders für Suppen wird es gern verwendet. Man sollte den Wiesen-Sauerampfer vorzugsweise im Frühling ernten. Gegen den Sommer hin nimmt die Säure zu, ähnlich wie bei den Rhabarbern. Und sobald sich die Samen bilden, schmecken die Blätter auch nicht mehr so zart. Aber man kann sie immer noch für Suppen verwenden. Auch die Samen sind selbstverständlich essbar.
Im Garten ist vor allem der Blutampfer (Rumex sanguineus) bekannt. Er wird gern im Gemüsegarten, aber auch als Zierde in Kräuterspiralen sowie am Rand von Staudenbeeten angebaut. Wie alle Ampfergewächse bildet er tiefe Pfahlwurzeln, und kann nur schlecht verpflanzt werden. Am besten lässt man ihn einfach in Ruhe wachsen, dann bildet er mit den Jahren ein dichtes Büschel. Dieses hübsche rotgeäderte Blattgewächs eignet sich für Salate, allerlei Wildkräuterspinatgerichte und Suppen bestens.

Der bekannteste Gänsefuss ist jedoch Rumex obtusifolius, die Wiesen-Blacke, auch stumpfblättriger Ampfer genannt, im Saanenland als Chilene verschriene, in höheren Lagen ist es der Rumex alpinus, der die Bauern plagt. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Blacken von den Bauern massiv bekämpft, und viele bekämpfen sie heute noch mit Gift. Das ist aber etwas kurzsichtig, denn vom Glyphosat bilden die Blacken meist einfach noch kräftigere Speicherwurzeln, und schlagen dann weiterhum wieder neu aus. Ein gutes Geschäft für die Agrochemie – weil die Chemiebauern dann denken, sie müssten noch mehr spritzen. Nun gut, es gibt einige Gründe, warum die Blacken nicht beliebt sind. Bei manchen Leuten können diese Pflanzen leichte Allergien auslösen, und wer die Blätter roh verzehrt, dürfe etwas Unwohlsein verspüren. Aber wer würde schon rohe Blacken essen – sie sehen ja einfach auch nicht so aus, als ob sie schmackhaft und zart wären. Das ist aber nur der erste Eindruck – und wir tun diesen kräftigen Pflanzen etwas Unrecht, sie so leichtfertig zu verteufeln. Langsam kehrt bei den Biobauern die Einsicht zurück, dass dies eigentlich ein nützliches Heilkraut ist. Der bekannte Schweizer Biobauer der ersten Stunde, Ernst Frischknecht, schrieb schon vor Jahren: „Die Blacke, dein Freund und Helfer.“ Damit irritierte er einen grossen Teil der bäuerlichen Öffentlichkeit. Er selbst liess die Pflanzen auf seinem Hof wachsen. Nur die Blacke, so Frischknecht, helfe dem Boden, eben genau die Situation, die sie fördert, auch langfristig wieder zu verbessern. Ihre riesige, unheimlich zähe und starke Pfahlwurzel führe den verdichteten Böden wieder Luft zu; die wuchernden, massebildenden Blätter entzögen den verstickten und überdüngten Böden genau das Zuviel an Dünger. Damit reguliere die Blacke dank ihrer Spezialisierung langfristig den Standort; mit der Zeit schaffe sie sich dann selber wieder ab. Sie hinterlasse einen ausgeglicheneren, lockereren und nicht mehr überdüngten Boden und wirke so als Heilmittel gegen die begangenen Fehler der Landwirtschaft.

In der Permakultur wissen wir: Es ist schlicht falsch, solche Pflanzen zu bekämpfen! Wenn eine Pflanze plötzlich massenhaft auftritt, dann sollten wir stets nach den Ursachen suchen, und die Zusammenhänge ergründen. Manchmal sind die Pflanzen nämlich schlauer als wir Menschen, manchmal tauchen sie auf, um uns etwas zu sagen. Und dann tun wir gut daran, ihre Botschaft wahrzunehmen.
Früher war die Blacke im Alpenraum übrigens eine geschätzte Nutzpflanze. Aus den Blättern wurde ein schmackhaftes Sauerkraut hergestellt. Wer die Blacken nicht mit Milchsäure vergären will, kann sie auch zweimal kochen und das Wasser abgiessen, dadurch wird das Zuviel an Säure entzogen, und die zähen Blätter werden auf diese Weise ebenfalls bekömmlich. Früher kochten die Bauern aus den Blacken ein nahrhaftes Mus. Es gibt auch Tiere, die sie fressen, zum Beispiel die Straussen. Von Kühen, Pferden und anderen Weidetieren werden die ledrigen, zähen Blätter aber verschmäht. Für die Schweinefütterung wurde früher aber aus rohen gestampften Blackenblättern ein Brei hergestellt. Ein Bündner Bauer aus Arosa berichtete, es sei dadurch ein viel besser schmeckendes Fleisch zu erzielen; dieses sei haltbarer als der Speck aus den üblicherweise mit Abfällen gefütterten Tieren. So sehr hatten sich die Bauern an die Blacken gewöhnt, dass noch 1910 ein Bauer aus Rüschegg BE, der im Unterland ein Heimwesen gekauft hatte, nach Hause schrieb, man möge ihm doch bitte Blackensamen schicken, da es auf seinem neuen Heimwesen keine Blacken gebe.
(Quelle: Agrarinfo.ch)