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Vogelnestwurz und Frauenschuh

Im Saanenland gibt es einen märchenhaften Orchideenwald. Was für ein Traum, dort sorgfältig zwischen den grossen Frauenschuh-Horsten wandeln zu dürfen! Auch die farblosen Vogelnestwurz-Orchideen finden sich dort massenhaft.

Heuer blühten Frauenschuh (Cypripedium calceolus) und Vogelnestwurz (Neottia nidus avis) besonders üppig, weil das Wetter im Frühling und Frühsommer so nass war. Orchideen gehören nämlich zu den Gewinnern von schlechtem Wetter. Sie haben es gern kühl und feucht. Heisse Tage hingegen sind ihnen ein Graus. Aber bis dann sind sie eh längstens verblüht und haben ihre Kraft wieder in den Boden zurückgezogen, so dass sie recht unscheinbar mit ein wenig Laub den Rest der Saison dahinvegetieren.
Wo genau sich diese prächtigen Horste befinden, soll jedoch ein Geheimnis bleiben. Die Einheimischen wissen es, aber sie passen gut auf, wem sie den Weg zu dem tief im Wald verborgenen Standort zeigen. Zu fragil sind die Orchideen – und zu gierig manche Touristen. Damit das auch wirklich für alle klar ist: wilde Orchideen sind erstens geschützt. Und zweitens würde es auch überhaupt keinen Sinn machen, sie zu freveln, denn daheim im Garten würden die kostbaren Wildpflanzen alsbald eingehen. Orchideen wachsen in einer komplizierten Symbiose mit Pilzen und Mikroorganismen, und ein solches Gleichgewicht kann man ihnen daheim im Hausgarten niemals anbieten. Besonders faszinierend ist das Gleichgewicht beim Vogelnestwurz. Denn diese Pflanze bildet selber gar kein Chlorophyll und betreibt auch keine Photosynthese. Vielmehr ernährt sich der Halbschmarotzer von Pilzgeflechten, die ihm die Nährstoffe von benachbarten Wurzeln zugänglich machen.
Wenn ihr unbedingt daheim im Garten seltene Orchideen kultivieren möchtet, dann müsst ihr sie aus zertifiziertem Anbau kaufen. Solche Orchideen aus dem Gartenfachhandel sind legal erhältlich, weil ihre Herkunft aus kommerzieller Zucht dokumentiert ist, und in dem Topfsubstrat ist alles drin, was sie zum Leben brauchen. Ausserdem haben sich diese Pflanzen bereits seit einigen Generationen daran gewöhnt, in einem Topf zu wachsen. Aber viel schöner sind sie allemal, wenn sie wild draussen im Märchenwald gedeihen dürfen.