Neulich auf einer Wanderung hoch über dem wilden Lauterbrunnental entdeckten wir im Aufstieg zum Tanzbedeli eine spezielle Enzianart, die uns sogleich ins Auge stach. Königsblau leuchte sie aus der Hochstaudenflur links und rechts des doch recht steilen Weges durch den Busenwald. In diesem feuchten und schattigen Waldstück trafen wir den edlen Enzian (Gentiana asclepiadea L). Die mehrjährige krautige Pflanze erreicht Wuchshöhen zwischen 30 und 90 Zentimeter und bildet mehrere aufrechte bis überhängende, mehrblütige Stängel aus. Diese sind gleichmässig beblättert mit lanzettlichen, lang zugespitzten, meist fünfnervigen Blättern ausgestattet.
Die dunkel-azurblauen Blüten werden etwa 35 bis 50 Millimeter groß und sitzen in den oberen Blattachseln. Der röhrige und häutige Kelch besteht aus fünf sehr kurzen und schmalen Zipfeln. Die eng-glockenförmige Krone zeigt von außen eine dunkelblaue Färbung, innen ist sie rotviolett punktiert mit meist hellblauen Längsstreifen. Wegen der späten Blütezeit ab August bis Oktober spielt bei dieser Art die Selbstbestäubung eine große Rolle. Die Narbenzungen rollen sich dabei so weit zurück, dass sie mit den unteren Staubbeuteln in Kontakt kommen.
Der Schwalbenwurz-Enzian gedeiht vom Tal bis auf etwa 2200 Höhenmeter hinauf. Als Standort bevorzugt die kalkliebende Pflanzenart feuchte Wiesen, Flachmoore, Waldränder, Riedwiesen, Hochstaudenflure sowie Legföhrengebüsche. Die Erstveröffentlichung von Gentiana asclepiadea erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum. Der Schwalbenwurz-Enzian gilt in Deutschland als gefährdet. Die intensive Beweidung von Frisch- und Feuchtwiesen trägt hauptsächlich hierzu bei. Auch ist der Schwalbenwurz-Enzian bei Sammlern sehr beliebt, was sich ebenfalls negativ auf die Bestandssituation auswirkt. In der Schweiz steht er nicht auf der Liste der gefährdeten Pflanzen IUCN (Walter & Gillett 1997). Im Jura ist der Schwalbenwurz-Enzian aber stark gefährdet. Alle Pflanzenteile des Schwalbenwurz-Enzian, besonders die unterirdischen Pflanzenteile, enthalten wie alle Enzian-Arten bittere Glykoside. Die Droge des Schwalbenwurz-Enzian wurde medizinisch verwendet. In der Volksheilkunde schrieb man ihm Heilkraft gegen Tollwut zu und verwendete ihn bei Hundebiss (Bitzwurzen), in der Tierheilkunde als Mittel gegen Klauenerkrankungen (Kloawurz).