Dem launischen Aprilwetter haben wir neulich grad ein paar Stofftüten voller Frühlingsblumen abgerungen – man sollte sie ja dann pflücken, wenn sie von der Sonne schön trocken und aufgewärmt sind. Am nächsten Tag fiel schon wieder Schnee, und wir beglückwünschten uns also für unser gelungenes Timing!
Besonders beim Huflattich, dessen Blüten wie kleine Sonnen leuchten, dünkt es mich immer sinnvoll, sie dann zu pflücken, wenn sie so richtig mit Sonnenwärme und positiver Energie vollgeladen sind. Schliesslich sollen sie uns im November vor Husten und Wintermüdigkeit bewahren. Ausserdem haben wir bei diesem Spaziergang oberhalb von Gsteig bei Gstaad zahlreiche Duftveilchen gefunden, die uns grad passend kamen – schliesslich blickt das Veilchen auf eine lange Tradition als romantische Liebespflanze zurück. Die alten Griechen legten ganze Veilchengärten an, und nannten die kleinen blauen Duftkünstlerinnen schlicht «Blume der Liebe.» Sie enthalten übrigens viel Vitamin C und schmecken nicht nur anregend, sondern sind auch gesund. Ausserdem haben wir ein paar Handvoll Schlüsselblümchen gefunden, die ebenfalls gegen Erkältungen vorbeugend und heilend wirken, sowie ganz junge, zarte Erdbeerblättchen, die der Blumenmischung etwas Chlorophyll und grünen Boden geben. Eigentlich werden meine Teemischungen jedes Jahr ein bisschen anders – je nachdem, was ich grad finde, und in welcher Stimmung ich gerade bin. Das ist ja eben das Schöne am selber Blumen und Kräuter sammeln – auch wenn man das über viele Jahre immer wieder macht, ist es doch jedes Jahr anders und neu.
Die wilden Narzissen, die hier zahlreich blühen, haben wir mit Augen und Nase bestaunt – sie verströmen in der Frühlingssonne ein intensives, süsslich schweres Jonquillenparfüm, das einem in den Kopf steigen und fast zu viel werden kann. Die wilden Narzissen sind giftig, und sie sind geschützt. Pflücken kommt daher nicht in Frage. Nun gut, ein paar kleine Sträusschen haben wir dann doch mitgenommen, weil es an der Stelle sooooo viele hat. Aber eigentlich sollte man das unterlassen. Und jedenfalls gilt es, nie etwas zu pflücken, von dem an einem Ort nur wenig blüht, und wenn man etwas nimmt, dann ganz sorgfältig und mit Respekt, und so, dass keinerlei Spuren der Verwüstung zurückbleiben. Das gilt überhaupt immer beim Sammeln von wilden Blumen und Kräutern: Nur wenig nehmen und dafür sorgen, dass die Pflanzenbestände geschont werden und sich gut weitervermehren können. Vom Huflattich hatten wir am Ende des Spaziergangs einen schönen Beutel voll, denn von diesem kräftigen Frühlingsblüher wachsen ja Unmengen an den von der Schneeschmelze feuchten Hängen. Wir haben die Blüten in Wasser gelegt und mit Biozitronen zusammen 20 Minuten aufgekocht. Dann 24 Stunden stehen lassen, absieben, und den Sud mit Zucker einkochen. Diesen in Glasflaschen dunkel und kühl aufbewahren. Ab November als Sirup oder zum Süssen von Tee geniessen – Huflattichsirup ist ein super Mittel für die Zeit, wenn einem das nasskalte Winterwetter zuzusetzen beginnt. Oh, und falls ihr Google um Rat fragt, wundert euch nicht. Da haben alle einander das gleiche merkwürdige Hexenzauberrezept abgeschrieben, bei dem der Huflattich für einige Monate mit Zucker vermischt im Garten eingegraben wird. Nun denn, das tönt für meinen Geschmack eher gruselig. Aber die SEO-Algorithmen haben da wohl ihre eigene Logik. Ich vertraue jedenfalls lieber auf die bewährte klassische Methode, Früchte und Blüten ganz einfach mit Zucker einzukochen.
Fotos: Sabine Reber und Pascal Stern